Was für ein Tag
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Geschafft von der Arbeit kam ich nach Hause und machte mir einen Tee. 16 Stunden auf Schicht, meine Knochen knackten, meine Muskeln machten nicht mehr was ich wollte und ich fiel nur noch auf die Couch.
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Ein Schatten huschte über meine Augen , ich blinzelte, au man, ich hatte die ganze Nacht zu Sonntag auf der Couch verbracht. Das Singleleben hatte auch Vorteile, wenn gleich auch nur wenige. Ich stand auf und ging duschen. Raus, raus… dachte ich. Frühstücken wollte ich irgendwo, nur nicht in der bedrückenden Leere der Wohnung. Mich ankleidend dachte ich darüber nach wie gut es Andere doch haben, in Ihren warmen Büros saßen sie sicher bei gleichbleibenden Temperaturen und gingen später noch aus.
Meinen Schirm schnappend verließ ich die Wohnung und ging dort hin wo ich immer Ruhe fand: Auf den Friedhof.
Hier konnte ich nachdenken, durchatmen und kein Auto, kein Fahrrad sollte mich stören. Ich suchte mir im hintersten Winkel eine Bank, setzte mich und fing an darüber nachzudenken was ich in den letzten 3 Wochen hier erlebt habe. Eigentlich war ja alles wie immer, alles bis auf diesen kleinen Jungen der allein auf der Wiese schräg vor mir saß und leise spielte. Warum spielte er wohl hier, so allein? Meine Gedanken wanderten in meine Schulzeit, eine Zeit in der mein bester Freund ein Mensch mit körperlich/geistigen Einschränkungen war. Ich redete in Gedanken mit Ihm, fragte Ihn wo er nun sei, ob es Ihm im Himmel besser ginge als auf der Erde damals und ich ließ meinen Schmerz über den Verlust raus. Tränen liefen mir über das Gesicht und ich war froh das mich keiner sah, keiner mein Flüstern in den Wind hörte, keiner wusste wie sehr es mich zerriss.
Irgend etwas zupfte an meinem Hosenbein. Ich erschrak, drehte mich etwas und dort stand dieser Junge vor mir. Leicht perplex fragte ich Ihn ob alles in Ordnung sei. Der Junge schaute mich an und sagte: Du brauchst nicht weinen, dort oben sind sie nie wieder alleine. Nicht wissend was ich sagen soll setzte ich mich erst einmal etwas ordentlicher hin und der Junge setzte sich zu mir.
„Ich bin der Jan-Phillip“ sagte er und begann zu erzählen:“ Ich besuche alle jeden Sonntag, Papa hat gesagt Sie freuen sich wenn ich komme, ich würde es nicht sehen und nicht hören aber im Herzen fühlen. Seit dem Unfall komme ich nun jeden Sonntag hier her und spiele mit meiner Schwester auf der Wiese, nicht so weit weg von Mama, damit Sie sich keine Sorgen macht.“
Etwas verwundert frage ich: „Aber, ich habe dich schon öfter gesehen, deine Schwester und deine Mama nicht. Sind die noch vorn am Park? Und mit wem bist Du hier?“
Da fing der Junge an zu lachen und sagte“ Aber die kann man doch nicht mit den Augen sehen, nur mit dem Herzen! Komm mit, ich stelle Sie dir vor.“ Er stand auf und zog an meiner Hand so das ich mit ging. Wir blieben vor einem ziemlich frischen Familiengrab stehen und der Junge sagte:“ Schau mal, Mama, wen ich mitgebracht habe. Er ist jetzt mein Freund weil er immer so traurig ist wenn er hier alleine sitzt“ Mir kullerten die Tränen doch der Junge redete einfach weiter:“ Und Saskia-Sybell, Du darfst auch mit auf Ihn aufpassen, so wie Mama jetzt auf Uns aufpasst“
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Stumm, ohne zu wissen was ich sagen sollte nickte ich.. “ Unser Fleckchen hatte sich von der Leine gerissen und meine Schwester und Mama sind Ihm hinterher gelaufen. Leider kam der Zug und nun bin ich mit Papa zu Hause allein. Okay, jeden Tag kommt eine Tante die sich um Papa kümmert aber ich komme so oft ich kann Mama besuchen. Papa kann seit dem Unfall nur noch auf einer Seite lachen und mit mir reden aber die Katrin hat gesagt das wird wieder.“
Ich dachte über mein Schicksal nach und fand es im Vergleich lächerlich.
Nun fragte der Junge:“ Wen besuchst Du, wenn Du hier bist?“
Leicht zögerlich antwortete ich“ Einen Freund aus der Schule“
„Das ist ja Prima“ erwiderte er“ dann sind wir jetzt alle Freunde. Ich werde auch für Ihn hier spielen damit er nicht so alleine ist und wenn ich dich wieder sehe dann erzähle ich dir von Ihm.“
Einige Sonntage noch sah ich den Jungen doch am letzten Tag an dem Ich ihn sah kam er zu mir, nahm mich wie beim ersten mal an die Hand und ging stumm zum Grab seiner Eltern. Es war ein Name dazu gekommen. „Nun muß ich fort“ sagte er „Mama und Papa sind wieder zusammen und ich ziehe zu meinem Onkel nach Süddeutschland. Tante Jama hat mir gesagt das der liebe Gott nun auf Mama, Papa, Fleckchen und meine Schwester aufpasst und ich Sie dort in der Kirche jederzeit besuchen kann“
Ich hatte einen dicken Klos im Hals und sagte nur noch:“ Dann mache es gut mein Freund, ich wünsche Dir das für Dich immer die Sonne scheint“
Er drehte sich noch einmal um, sagte “ Und wenn Du traurig bist, besuche einfach meine Mama, meinen Papa und Saskia-Sybell, sie haben versprochen auf dich aufzupassen“ , lachte noch und ging zu einer Frau die ganz in schwarz gekleidet offensichtlich nur darauf wartete mit Ihm weiter zu gehen.
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Hoffnung ist nicht allgegenwärtig aber Sie kann in allen Menschen sein denen wir begegnen.