Manchmal, wenn ich allein zur Ruhe komme und über Wilhelmshaven nachdenke, über meine Heimat und was Sie mir gegeben aber auch genommen hat, überkommt mich das Gefühl der Einsamkeit. Nicht weil ich einsam bin sondern weil ich so manches mal viel zu kurz den Weg durch mein Leben gemeinsam mit guten Freunden gegangen bin.
Damals, die Welt war noch so klein für mich, was zählte war Schule und die machte mir Spaß. Ganz besonders in mein Herz geschlossen hatte ich einen Freund der spastisch Behindert war, auf der Sonderschule gab es schon lange das Zusammenlernen Behinderter und Idioten 😉 aber Behindert war ich nicht…. Uff, es ist schwer zu schreiben wenn man lieber weinen würde, aber gegen das Schicksal sind wir Machtlos. Olav Poppinga, was haben wir zusammen nicht alles für Blödsinn veranstaltet. Damals. Keiner hat Olav verstanden, ich weis nicht mal sicher ob ich ihn immer so richtig verstand aber wenn wir zusammen waren war vieles leichter, es fühlte sich persönlicher, richtiger, näher an. Wenn mal der Unterricht zu langweilig wurde gab ich Olav ein Zeichen, natürlich so, das es keiner sah außer ihm, und er biss in seine Federtasche, verschob Tische und Stühle um sich und gab „seltsame“ knurrend glucksende Laute von sich. Der sichtlich mit der Situation überforderten Lehrerin blieb nichts Anderes übrig als Olav ein wenig frei zu geben und weil ich gut mit Ihm auskam Schickte Sie uns Beide in die Pause. Für mich eh kein Problem , war ich, wie hier sogar jemand bezeugen KÖNNTE ja der Klassenbeste des Schuljahrgangs. Aber glaubt ja nicht das sein „Anfall“ draußen weiter ging, nein. Wir schlenderten zum Kiosk oder einfach nur so durch die Gegend.
Auf dieser Schule hatte ich mich das erste mal wirklich verliebt … J.W. Mein Herz schlug schneller wenn ich Sie sah. Aber wie das so ist als Klassen- , ach was sag ich , als Schulstreber, habe ich mich nie getraut Sie selbst zu fragen. Wenn ich auch alles Andere begriff, dann aber eben nicht wie man mit einem Mädchen redet in das man sich verknallt hat ohne sich völlig zum Deppen zu machen und so vertraute ich mich einem Klassenkameraden an. Grooooßer Fehler! Dieser hatte nichts besseres zu tun als quer über den Schulhof zu Rufen „J.W. Willst Du mit Carsten gehen?“ Sie sagte Nein, Heute ist mir klar das Sie gar nicht anders konnte aber ob es anders verlaufen wäre wenn ich Sie selbst gefragt hätte weis ich nicht. Seither habe ich mich nicht mal mehr in Ihre nähe getraut und ehrlich gesagt ist Mir erst Jahre später bewusst geworden das ich Sie nie selbst gefragt habe……………….
Irgendwann bekam ich die Chance meines Lebens, man sagte mir das viele Lehrer sich meinetwegen zusammengesetzt und Diskutiert hätten und sich dann an das Kultusministerium wandten. Es wurde, weil es auch andere Fälle wie mich gab, ein Schulversuch gestartet in dem die Besten der Sonderschulen die Chance hatten vom Sonderschullernstoff direkt über 3 Jahre hinweg in den Hauptschullernstoff einzusteigen und zum Schluss einen , nach Hauptschulkriterien bewerteten, Hauptschulabschluss machen zu können. Ohne wenn und aber stürzte ich mich in das „Abenteuer“ und fand keine Zeit mehr an etwas Anderes zu denken. Schnell lernte ich neue Freunde kennen, Hans Jürgen Thiel war einer davon, Heute weis ich nicht was aus Ihm geworden ist, und er war einfach ein lieber Mensch der ein Ähnliches Schicksal teilte wie ich… alles war ihm zu einfach.
Doch auch der Schock meines Lebens: Olav war verstorben, Olav, in dem Ganzen Stress und dem Streben weiter zu kommen hatte Ich Ihn ganz aus den Augen verloren. Olav, In meinem Herzen lebst Du für immer weiter, dein Lachen und der Spaß den wir zusammen hatten. Zwei Erwachsene Menschen, seine Eltern gaben aber einem Kind die Schuld: Mir! Er sei vor Gram verstorben weil ich mich nicht mehr um Ihn kümmerte . So etwas zu hören tut weh, es tut sehr weh und ich brauchte Lange um zu begreifen das es nicht meine Schuld war, ebenso hätte man den Eltern die Schuld geben können weil Sie wussten was geschah und mich nicht aufsuchten aber es war die Macht des Schicksals, nichts Anders.
Schmerz ist nicht das Einzige was bleibt, nein, aber es ist das was in einem aufkommt wenn man über seine Hilflosigkeit nachdenkt.
Hilflosigkeit, ja, meine besten Freunde gingen als andere noch darüber diskutierten wie lange die Lebenserwartung allgemein ist, viel, viel zu früh. Einer als Kind, einer als junger Mann nur einer als älterer Herr, den ich fast wie einen Vater empfand.
Auch ich bekam eine Lehre, etwas wonach man damals noch wirklich intensiv strebte. Da war es auch noch mehr oder weniger egal als was, Hauptsache eine Ausbildung und so wurde ich Kfz-Mechaniker Auszubildender. Wie wohl in jeder Ausbildung gab es Menschen mit denen ich mich mehr aber auch Menschen mit denen ich mich weniger verstand. Anton Focken, Dich werde ich nie vergessen, auch wenn es nicht leicht war dich zu verstehen, du warst ein Mensch mit Herz, Verstand und , was ich am wichtigsten fand, mit Stolz. Ich wusste bald genau wann er schlecht gelaunt war oder einfach nur sticheln wollte, ich war einfach glücklich einen solch anständigen Menschen als Gesellen haben zu dürfen. Doch wir wechselten alle irgendwann die Gesellen um andere Bereiche auch zu lernen und so entfernte man sich voneinander. Tage vor dem Ende meiner Ausbildung fragte mich mein Meister ob ich denn die 3 Jahre meine Berichtshefte geschrieben hätte… TAGE… Was für Berichtshefte?? Er machte mir klar das ich diese innerhalb einer Woche nachreichen müsse oder nicht zur Prüfung zugelassen würde. …Ich war verzweifelt und wusste nicht was ich machen sollte. In meiner Panik, Verzweiflung, Angst lief ich in die Nacht. Mein Kopf schien zu platzen, mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich wollte am liebsten im Boden versinken oder besser noch abhauen und für immer verschwinden.
Irgendwann kam ich auf der Kaiser Wilhelm Brücke an und stand bestimmt Stunden regungslos an der flachsten Stelle des Geländers und schaute in die endlos scheinenden Sterne, in Richtung Kanal. Viele Fahrzeuge und auch Fußgänger passierten diese Stelle aber ich merkte davon nicht viel. Irgendwann hielt direkt hinter mir ein Motorradfahrer, stieg ab, kam zu mir und fing zu reden an. Er fragte mit ruhiger Stimme was denn los sei und erklärte auch das er Stunden vorher schon vorbei gefahren sei und mich dort genau so stehen sah und er sich wunderte was einen Menschen so tief treffen könne das seine Welt nicht mehr funktionierte. Da war ein mir völlig fremder Mensch der mich das fragte, wem soll er schon etwas erzählen und so vertraute ich mich ihm an. Er stellte sein Motorrad dann unten an der Brücke ab und wir gingen zu Ihm, wo er einen Tee bereitete und wir fast einen ganzen Tag nur da saßen und redeten.
Frank Reiners, kurze Zeit später zog ich in ein leer stehendes Zimmer seiner Wohnung und wir bildeten eine WG. Meine „Zutat zur WG war: Party, jedes Wochenende! Aber was auch immer mir Gutes wiederfuhr es sollte irgendwann ein Ende haben. Frank machte sich in Berlin selbstständig und gab unsere WG auf. Allein konnte ich die Wohnung nicht halten also suchte ich mir etwas Anderes. Oft noch telefonierten wir miteinander oder schrieben Short Messages die ja fälschlicherweise SMS genannt werden doch es wurde immer weniger worauf er antwortete und irgendwann kam keine Antwort mehr. Ich nahm an das seine Firma nun so groß sei das er kaum noch Zeit für etwas anderes hatte bis ich erfuhr das er an einem Herzfehler verstorben sei. Ich verlor den Halt, den Glauben am Leben, verstand nicht was ich Gott getan habe das mir alles Wichtige genommen wurde. Doch auch da fasste ich mich bald wieder denn das leben geht weiter, ob man will oder nicht.
————- Den Rest gab mir dann , ein paar, aber nicht viele Jahre später die Nachricht das Anton verstorben sei. ————-
Ich ging Nachts an den Geniusstrand , schaute mich noch um das ich auch keinen störte und ließ alles raus. Ich SCHRIE in die Nacht “ W A R U M “ ich brüllte meinen Schmerz in die Finsternis und weinte bis nichts mehr kam. Auch dann wimmerte ich weiter , versuchte alles los zu werden was jetzt schon Jahre so in mir reifte. Ich habe auch jetzt noch Tränen in den Augen wenn ich an meine Freunde denke die jetzt auf der anderen Seite sind, Sehnsucht nach einem Wiedersehen wenn ich einmal nicht mehr bin.
Einige Freunde verlor ich aus den Augen, einige aus dem Leben und viel zu viel wurden Gefühle vernichtet mit Sätzen die man einfach nicht sagt. Meine Gedanken sind für Immer mit Ereignissen verbunden die mein Leben prägten und in so manch einsamer Nacht kam es mir vor als hörte ich die Stimmen meiner Freunde sagen: Halte durch, dein Leben hat noch so viel für dich zu bieten .. und Sie haben Recht. Aber wer einen Lieben Menschen, einen Partner oder auch ein wirklich ins Herz geschlossenes Tier verloren hat der weis, vergessen wird man nie und auch der Schmerz verschwindet nie, er verteilt sich nur, bis man sich wieder auf ihn einlässt, dann kommt er mit allem Drumherum wieder.
Freunde aus den Augen verloren: Andreas Steinborn, Hans Jürgen Thiel, Ibrahim Güney, Hossam Ibrahim
Freunde im Himmel: Anton Fokken, Frank Reiners, Olav Poppinga
Euch widme ich diese Zeilen, meine Gedanken haben nie aufgehört bei Euch zu sein, mein Herz nie aufgehört der letzte Ort für euch zu sein, Ich Danke dem Leben das es mir Euch an meine Seite stellte auch wenn ich nie verstehen werde warum ihr so früh gehen musstet. Calle Dirks