Meine Windjacke greifend eile ich zur „Stechuhr“ und dann hinaus an die Luft. Nicht das so ein Tag im Büro dunkel und trist sei, nein, sogar eine neue Klimaanlage ist seit einiger Zeit installiert aber es ist halt etwas Anderes ob man die Natur sieht oder wirklich erleben darf. Hastig zum Auto laufend male ich mir mein wohlverdientes Wochenende schon aus, endlich wieder in die Heimat , endlich ans Meer, endlich nach Wilhelmshaven, wo meine Wurzeln sind, wo meine Eltern und auch meine Großeltern mir eine umsorgte Kindheit und Jugend gaben. … Ich packe gar nicht erst, meine Ma hat eh alles und Sie freut sich immer schon auf meinen Besuch. So gehen Sie dahin, die Stunden auf den Autobahnen, die Blicke über die triste Umgebung lassen meine Freude über das Wochenende noch ein wenig steigen. Jaaaa, da ist Sie, die A29… keine wirklich tolle Autobahn, nein, man hätte noch so einiges schönes machen können.Ich aber bin ja nicht wegen der Autobahn hier sondern wegen dem was mich am anderen Ende erwartet: Wilhelmshaven und das Meer, meine geliebte Nordsee. Ein Lachen huscht mir durchs Gesicht wenn ich an die Sander Berge denke.. Ja, „Berge“, ich weis nicht wie man darauf gekommen ist sie so zu nennen, aber die Friesen sind halt ein Volk das auch mal etwas imposantere Namen verteilt wenn etwas einfach dazu gehört. Jetzt die letzte Ausfahrt, es ist gar nicht so leicht nach Stunden der Autobahnfahrt sich wieder daran zu gewöhnen 50 zu fahren. Es kommt mir vor als würde ich laufen. Noch ein paar Ecken und ich bin da. Ein paar Tränen kullern mir durchs Gesicht die ich suche so gut es geht zu verstecken. Mama. Alle stehen vor dem Haus und erwarten mich schon, sogar meine Schwester ist gekommen. Wie habe ich diese oft so verkannte Herzlichkeit vermisst. Schnell die Türe auf und Raus….reißt es mich wieder zurück in den Wagen. Ich habe vor lauter Freude vergessen mich abzuschnallen, was meiner Schwester wohl so gefällt das sie laut anfängt zu lachen. „Also abgeschnallt und aussteigen, das war`s, weiter komme ich nicht. Meine Ma schließt mich in Ihre Arme und nun kullern unsere Tränen synchron. „Mama“, sage ich und der Rest geht in einem glucksen unter. Nun fügen sich auch die Anderen hinzu und es gibt ein wohliges Gewusel. „M O I N“ schallt es von gegenüber, und ich drehe mich um. Auf der anderen Seite steht mein alter Nachbar mit einem Lachen im Gesicht und ich grüße wohlwollend mit einem lauten „M O I N“ zurück. Oh, wie habe ich das Alles vermisst. Nun aber rein in die gute Stube und erzählen, erzählen, erzählen. So vergeht fast der ganze restliche Nachmittag und die gute Luft als auch das ganze drumherum tun ihr bestes um mich Müde werden zu lassen. Ich gehe zu Bett, wo Mama mir bereits einen dieser leckeren „Kuhbonbons“ aufs Kissen gelegt hat, nasche diesen und schlafe mir dem Gefühl der Heimat im Herzen ein. . . . Heute klingelt der Wecker nicht, Heute werde ich von dem Gewusel meiner Ma und dem Duft von frischen Brötchen geweckt. Draußen höre ich keinen Baulärm, keine Straßenbahnen oder den „Idio…“ , äh, netten Nachbarn der seine Freundin immer mit einem hupen darauf aufmerksam machen muss das er es eilig hat, nein, draußen zwitschern die Vögel, irgendwo höre ich einen Hahn krähen und ein Rauschen zieht durch die Bäume. Aufgestanden und tagesfrisch gemacht eile ich ins Esszimmer. Meinen Blick über den Tisch streifend sage ich „grüß Gott“ und ziehe ein paar verwunderte Blicke auf mich. Schnell korrigiere ich zu “ Moin“ und setze mich dazu. Ma macht den Tee wie keine Andere. Den Kluntje in die Tasse, dann den Tee, der nicht aus Beuteln kommt sondern in losen Blättern durch die Kanne streift, durch ein Sieb darübergegossen das es nur so knackt und zum Schluss der Löffel Sahne, „nicht umrühren“ sagt Sie, „das ist so Tradition“. Bald nach den Frühstück geht`s raus, wir fahren ein paar Minuten und dann ist Sie auch schon da, die Nordsee, hier noch im Jadebusen, aber das ist eher wie eine riesengroße Bucht, direkt verbunden und unsagbar schön. Der Wind erzählt mir seine Geschichte indem er mir um die Ohren saust und Paps hat einen Drachen mitgebracht als sei ich noch 14. Ich tue Ihm den Gefallen und spiele ihm zu liebe ein wenig damit. Ich hatte ganz vergessen wie viel Spaß das macht und merke erst viel später wie die Zeit vergangen ist. Nein, Heimat, wenn sie einen erst mal umschlungen hat kommt alles wieder. So gehen wir noch in die Stadt, nicht ohne ein wenig durch die alten Straßen zu fahren. Vieles, vieles lese ich ja auf facebook mit und mache mir auch so meine Sorgen aber wenn ich sehe in was für einem Paradies diese Menschen wohnen, wie viel Natur und wie viel Herzlichkeit hier herrscht verstehe ich auch warum so viele um jeden Schnipsel kämpfen. Alles hier ist es Wert Ihm seine Aufmerksamkeit zu widmen und ein Friese ist vieles, nur nicht gleichgültig. Wir schlendern durch die Marktstraße, eine Fußgängerzone, irgendwie auch ein Kleinod dieser schönen Stadt die eine so schreckliche Geschichte hinter sich hat. Als Kriegsstadt gebaut, als Hauptziel zerstört und in jahrelanger mühsamster Arbeit von kleinen Leuten die nicht einmal wirklich richtig etwas zu essen hatten mühsam im Schweiß und Armut wieder Aufgebaut damit die Kinder, Enkel und Urenkel wieder leben können hat auch Sie inzwischen schönere Zeiten erlebt. Aber es ist schön hier zu sein, wo die Möwen fetter sind wie die meisten Hauskaninchen, wo man zu Nordseekrabben noch „Granat“ sagt und man sich tagein tagaus mit „MOIN“ begrüßt, ob man sich kennt oder nicht. Wilhelmshaven, ich liebe Dich. ….